Ein Blick in die Praxis

„Als Arzt muss man Dinge ansprechen“

Dr. Leo Richter aus Wien berichtet von seinen Erfahrungen im Umgang mit Psoriasispatienten und erklärt, warum es so wichtig ist, auch unangenehme Themen direkt anzusprechen.

Welche nicht therapiebezogenen Aspekte spielen im klinischen Alltag im Umgang mit Psoriasispatienten eine maßgebliche Rolle?

L. Richter: Als Arzt muss man beachten, dass viele Psoriatiker lebenslang stigmatisiert worden sind, mit Schwierigkeiten im Sozialleben konfrontiert wurden und daraus resultierend als Begleiterkrankung oft auch Depressionen, Angstzustände, Panikattacken etc. entwickelt haben, sich eventuell auch im Gespräch mit dem Arzt schüchterner und wesentlich verschlossener verhalten. Diese Aspekte müssen vom Arzt immer wieder aktiv angesprochen werden. Man muss darauf Rücksicht nehmen, dass die Patienten aufgrund ihrer Erkrankung mit sozialen Kontakten häufig Schwierigkeiten haben. D.h., als Arzt soll man sie aktiv einbinden, direkt darauf ansprechen, ob es in diesem Bereich Probleme und Defizite gibt, und die Patienten eventuell auch in Richtung Psychotherapie bringen und ihnen sagen: „Sie brauchen keine Angst zu haben. Für die eine Erkrankung verabreicht man ein Medikament, aber für eine andere würde vielleicht eine andere Therapieform wie zum Beispiel eine Gesprächstherapie helfen.“ Man muss versuchen, ihnen die Ängste zu nehmen, darüber zu sprechen, und diesen Aspekt, der bei Psoriatikern ein sehr wichtiger ist, auch ernst nehmen. Der Psoriasispatient ist oft ein eher zurückgezogener, schüchterner Mensch, der sich eventuell nicht so viel traut, etwas ängstlicher ist und sich mit Sozialkontakten schwerer tut – dies ist auch durch Studien gut belegt.

Wie kann im Zuge des Patientenmanagements Vertrauen aufgebaut werden? Gibt es Tools, die sich als hilfreich erwiesen haben, oder ein Beispiel aus der Praxis, wie Patienten besser aus sich herausgehen und über Bedürfnisse und Ängste in Bezug auf ihre Erkrankung sprechen?

L. Richter: Ich gehe sehr offen und aktiv auf die Patienten zu. Als Arzt muss man Dinge ansprechen, denn der Patient wird oft nicht von sich aus Themen wie Sexualität ansprechen. Ich finde es sehr wichtig, dass Probleme, von denen man weiß, dass sie bei Psoriatikern häufig bestehen, vom Arzt angesprochen werden und so auch das Vertrauen des Patienten gewonnen wird. Außerdem sollten im Gespräch mit dem Patienten Therapieziele besprochen werden – auch das schafft Vertrauen. Aufgrund der Verfügbarkeit der IL-23-Antikörper kann man optimistisch sein. Ich sage zu den Patienten: „Ich bin erst zufrieden, wenn mindestens 90% der Haut erscheinungsfrei sind!“ Das vermittelt den Patienten eine berechtigte Hoffnung, die für sie sehr wichtig ist. So kann man die Patienten positiv motivieren.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: ein junger Patient aus Deutschland, der dort schon sehr viele systemische Therapien durchlaufen und nie wirklich ein gutes Ansprechen gezeigt hat. Bei ihm war die Erkrankung besonders speziell, weil er auch Läsionen im Gesicht, vor allem um die Augenpartie, hatte. Diesem Patienten habe ich einen IL-23-Antikörper verschrieben. Bereits bei der nächsten Kontrolle nach 3–4 Wochen hat er mir hochemotional erzählt, dass er seit 15 Jahren noch nie eine derartige Besserung erfahren hat. Er war so erleichtert, dass er in Freudentränen ausgebrochen ist.

Wie kann man den Patienten auf den individuellen Krankheitsverlauf – auch in Hinsicht auf das Auftreten von Schüben – vorbereiten?

L. Richter: Die Patienten über die Möglichkeit des Auftretens von Schüben unter Therapie zu informieren, ist wichtig. Trotz der hohen Effektivität der innovativen Biologika ist es möglich, dass Schübe auftreten. Ich erkläre ihnen, dass sie nicht verzagen sollen, wenn doch wieder zwei bis drei Flecken auftreten, weil eben der Schub zu stark ist und das durch die Therapie nicht vollständig verhindert werden kann. Das heißt aber nicht, dass das Medikament zu wenig wirksam ist, und in den allermeisten Fällen heilen die Läsionen rasch wieder ab. Die Patienten sollen darauf vorbereitet sein, dass völlige Erscheinungsfreiheit nicht bedeutet, dass keine Plaques mehr auftreten können. Durch die hohe Wirksamkeit der Substanzen sind die Patienten verwöhnt und schockiert, wenn sie plötzlich eine Läsion entwickeln. Sie meinen dann, das Medikament würde seine Effektivität verlieren. Ich zeige ihnen dann Fotos vom Zeitpunkt vor der Therapieinitiierung, damit sie den Unterschied sehen – danach sind sie wieder beruhigt.◼

Vielen Dank für das Gespräch!
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© Dr. Leo Richter

Entgeltliche Einschaltung

Mit freundlicher Unterstützung durch Janssen-Cilag Pharma GmbH

Fachkurzinformation siehe Seite 65 | AT_CP-296858_16Feb2022

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