DGSM-Tagung 2020

Insomnie beim Parkinsonsyndrom

Nahezu jeder Patient mit einer neurodegenerativen Bewegungsstörung leidet unter Schlafstörungen, die u.a. die Lebensqualität, die Kognition sowie andere nicht motorische und motorische Symptome negativ beeinflussen können. Dieser Beitrag fasst die neuesten Empfehlungen zu Schlafstörungen bei der Parkinsonkrankheit aus der S2k-Leitlinie «Insomnie bei neurologischen Erkrankungen» zusammen.

Etwa 50 bis 90% aller Patienten mit neurodegenerativen Bewegungsstörungen leiden unter Schlafstörungen, die u.a. die Lebensqualität der Patienten und Angehörigen, Kognition sowie andere nicht motorische und motorische Symptome negativ beeinflussen können.1 Die Insomnie ist eine der häufigsten assoziierten Schlafstörungen, wobei etwa 35% bis 60% aller Patienten mit einer Parkinsonkrankheit (PK) die Kriterien einer chronischen Insomnie erfüllen. Durchschlafstörungen und Früherwachen werden hierbei von bis zu 88% der Parkinsonpatienten angegeben und treten somit häufiger als Einschlafstörungen auf.2 Andere häufige Schlafstörungen bei der PK sind die Hypersomnie, die bei ca. 30 bis 60% der Patienten auftritt, schlafbezogene Atmungsstörungen (bei ca. 25–50%), zirkadiane Schlaf-wach-Rhythmusstörungen und schlafbezogene Bewegungsstörungen wie das Restless-Legs-Syndrom und periodische Beinbewegungen im Schlaf sowie Parasomnien, v.a. die REM-Schlafverhaltensstörung (RBD, 30–60%). Patienten berichten über subjektive Schlafstörungen, die mittels Fragebögen wie der Parkinson Disease Severity Scale (PDSS-2) untersucht werden können, zudem können mittels Polysomnografie typischerweise eine vermehrte Schlaffragmentierung und eine Abnahme des Tiefschlafs- und des REM-Schlafanteils nachgewiesen werden.

Die Parkinson’s Disease Sleep Scale (PDSS), der Pittsburgh Sleep Quality Index (PSQI) und SCOPA-SLEEP können zur Diagnostik und Einordnung von Schlafstörungen genutzt werden, wobei die PDSS-2 und der SCOPA-SLEEP-Fragebogen für die PK entwickelt wurden und somit auch Parkinson-spezifische Beschwerden abgefragt werden.3

Schlafstörungen treten bei der Multisystematrophie (MSA) ebenfalls sehr häufig auf und werden mit einer Inzidenz von ca. 70% angegeben, was je nach Studie vergleichbar mit der PK ist oder sogar etwas höher angegeben wird, wobei die Insomnie nicht spezifisch adressiert wird.4 Bei Patienten mit einer MSA tritt häufig ebenfalls eine Schlaffragmentierung auf, die jedoch unspezifisch ist. Charakteristisch ist jedoch ein Stridor, der gehäuft zusammen mit schlafbezogenen Atmungsstörungen mit konsekutiv erhöhter Tagesschläfrigkeit nachweisbar ist.

Im Vergleich zur PK weisen Patienten mit progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) in vergleichbarem Mass oder sogar noch häufiger eine Insomnie und Störungen der Schlafarchitektur auf.4,5 Für die kortikobasale Degeneration (CBD) ist die Evidenz mit kleinen Fallserien sehr gering, doch auch bei diesen Patienten scheinen insomnische Beschwerden häufig zu sein.4

Schlafstörungen bei neurodegenerativen Erkrankungen können den motorischen Symptomen Jahre vorausgehen. Die Pathophysiologie vieler dieser Schlafstörungen ist noch nicht vollständig geklärt und individuell variabel. Dabei scheinen sowohl Veränderungen der Uhrengene und somit der zirkadianen Rhythmik als auch neurodegenerative Veränderungen von Schlaf-wach-regulierenden Zentren in Hirnstamm und Hypothalamus mit konsekutiv veränderten Transmitter- und Neuropeptiden wie Orexin und Serotonin eine Rolle zu spielen. Hinzu kommen nächtliche motorische Symptome wie Akinese und Fluktuationen, nicht motorische Komplikationen wie Nykturie oder Halluzinationen sowie der Einfluss der Medikation.6 Insomnien sind mit dem Alter7 sowie der Dauer der PK assoziiert. Zudem gelten weibliches Geschlecht und der Gebrauch von Dopaminagonisten als Insomnie-verstärkende Faktoren.8 Es gibt ausserdem Hinweise auf einen bidirektionalen Zusammenhang zwischen Insomnie und Depression und Angst bei de novo PK-Patienten.9 Auch primäre, unabhängig von der neurodegenerativen Erkrankung auftretende, Schlafstörungen wie schlafbezogene Atmungsstörungen sind häufig und können zu insomnischen Beschwerden führen.

Die meisten Studien zur Therapie der Insomnie bei neurodegenerativen Bewegungsstörungen beziehen sich primär auf die PK. Gemäss den Empfehlungen der EFNS/MDS-ES (European Federation of Neurological Societies/Movement Disorder Society) für die Therapie der Insomnie bei PK müssen zunächst andere Schlafstörungen wie schlafbezogene Atmungsstörungen ausgeschlossen bzw. behandelt werden. Im nächsten Schritt sollten zunächst Parkinson-spezifische motorische Komplikationen/Störungen identifiziert und behandelt werden.10 Dazu zählen die Verbesserung der nächtlichen Akinese, z.B. durch eine Umstellung auf lang wirksame oder transdermal wirkende L-Dopa-Präparate und Dopaminagonisten.11

Da grössere kontrollierte Studien zur Insomnie bei der PK fehlen, ist die Evidenz insgesamt unzureichend. Es empfiehlt sich jedoch, wie auch bei der primären Insomnie unabhängig von neurodegenerativen Erkrankungen, medikamentöse Verfahren zusammen mit nichtmedikamentösen, verhaltens- und schlafhygienischen Massnahmen anzuwenden. Zu den nichtmedikamentösen Therapieverfahren mit in Studien nachgewiesener positiver Wirkung auf die Insomnie zählen körperliche Bewegung, Lichttherapie und kognitive Verhaltenstherapie mit Schlafhygiene (CBT-I).12–14 Eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva wird häufig erwogen, Zulassungen für die Insomnie existieren jedoch nicht, sodass eine «off-label» Behandlung vorliegt, wenn keine komorbide Depression diagnostiziert wurde.

Zudem sollte bedacht werden, dass Medikamente, wie z.B. Antidepressiva, die die Insomnie positiv beeinflussen können, gleichzeitig zu einer Verschlechterung anderer Schlafstörungen wie z.B. einer REM-Schlafverhaltensstörung oder eines Restless-Legs-Syndroms führen können. Einige Studien zeigten positive Einflüsse verschiedener Antidepressiva und von Melatonin auf die Insomnie bei PK (s. unten), allerdings ist die Evidenz insgesamt unzureichend, sodass keine generelle Empfehlung zur Therapie ausgesprochen werden kann.

Es ist von grosser Relevanz, insbesondere andere Schlafstörungen auszuschliessen, die kausal behandelt werden können, und die Möglichkeit einer Optimierung der Medikation der PK zu prüfen!

Welches sind die wichtigsten Punkte aus den Leitlinien?

Störungen des Schlaf-wach-Rhythmus, des Rhythmus der Melatonin-/Cortisolexkretion sowie der Körperkerntemperatur sowie eine veränderte Rhythmik in der Expression der sog. «clock genes» (Uhrengene) können bei Patienten mit PK nachgewiesen werden. Eine Störung der zirkadianen Rhythmik nimmt wiederum Einfluss auf Gentranskription und proinflammatorische Prozesse. Somit könnte die Fehlfunktion der «inneren Uhr» nicht nur eine Folge der Neurodegeneration sein, sondern auch direkt zur Krankheitsprogression beitragen.15,16 Zusätzlich könnten Störungen des Schlafs auch über eine Fehlfunktion synaptischer Aktivität und des glymphatischen Systems zur Neurodegeneration beitragen. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Wichtigkeit weiterer Forschung, um die wahrscheinlich bidirektionalen Wechselwirkungen von Schlaf und Neurodegeneration besser zu verstehen und eventuell neue therapeutische Optionen entwickeln zu können. Symptomatische Ursachen von Ein- und Durchschlafstörungen sollten mittels detaillierter Anamnese, Fragebögen und ggf. objektiver Messmethoden wie Aktigrafie und Polysomnografie ausgeschlossen werden, insbesondere um keine behandelbaren Ursachen (wie z.B. schlafbezogene Atmungsstörungen, Restless-Legs-Syndrom, Depressionen) zu übersehen.Nichtmedikamentöse Therapieverfahren wie Bewegung, Lichttherapie und Verhaltenstherapie (CBT-I) sollten erwogen und ggf. vor bzw. zusammen mit einer medikamentösen Therapie eingesetzt werden. Die Behandlung mittels CBT-I (kognitiver Verhaltenstherapie für Insomnie) führte in kleineren Interventionsstudien, z.T. in Kombination mit Lichttherapie, zu einer signifikanten Verbesserung der subjektiven Schlafqualität.12,13Eine Verbesserung der subjektiven und teilweise auch der objektiven Schlafqualität konnte durch die Gabe lang wirksamer Dopaminagonisten oder von L-Dopa17 erreicht werden, die zumindest teilweise durch eine Abnahme der motorischen Einschränkungen hervorgerufen wurde.18,19 Verschiedene Antidepressiva (wie Trazodon, Doxepin, Venlafaxin sowie Nortriptylin) wie auch Melatonin/Ramelteon und GABA-Agonisten (Eszopiclon/Zolpidem) können einen positiven Effekt auf insomnische Beschwerden bei der PK haben, wobei die Datenlage weiterhin nicht ausreichend für eine generelle Empfehlung ist.11,20,21,14 Hingegen zeigte Duloxetin keine nachweisbare Wirkung.14Eine leichte Verbesserung der subjektiven Schlafqualität konnte auch durch die Behandlung mit dem Neuroleptikum Pimavanserin erzielt werden, wobei hier nur eine geringe Evidenz vorliegt. Quetiapin und Clozapin hatten keinen Effekt auf die Insomnie.14Durch die tiefe Hirnstimulation im Nucleus subthalamicus kann die subjektive Schlafqualität verbessert werden,22–24 wobei es auch gegenteilige Studien gab und keine Empfehlung für eine tiefe Hirnstimulation mit der Insomnie als einzigem Zielsymptom gegeben werden kann.◼Element not implemented: <footer>Element not implemented: <article-left-content-boxes>Element not implemented: <article-left-content-boxes>Element not implemented: <praxistipp>

Entgeltliche Einschaltung

Mit freundlicher Unterstützung durch XXXXXXX

Fachkurzinformation siehe Seite XXXX | FREIGABENUMMERXXXX

Element not implemented: <keypoints>Element not implemented: <article-left-content-boxes>Element not implemented: <quotes>Element not implemented: <author>S. Happe, Telgte

◾2003◆

Element not implemented: <keypoints>Element not implemented: <keypoints>

Element not implemented: <authorinfo>
Bewertungen:
ZURÜCK