Medizinische Universität Wien: Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Georg Stary

Den Besonderheiten des kutanen Immunsystems auf der Spur

Univ.-Prof. Dr. Georg Stary ist seit 2024 ordentlicher Professor an der Medizinischen Universität Wien. Im Rahmen seiner Antrittsvorlesung gab er einen Überblick über die Meilensteine seiner wissenschaftlichen Laufbahn und über die Schwerpunkte seiner Arbeitsgruppe an der Wiener Universitätsklinik für Dermatologie. Im Mittelpunkt stehen dabei die Funktionen und möglichen Fehlfunktionen des Immunsystems in der Haut.

Die Dermatologie ist ein sehr breites Fach mit verschiedenen Subdisziplinen. Mein besonderes Interesse gilt der Immunologie, die einige dieser Subdisziplinen miteinander verbindet“, sagte Univ.-Prof. Dr. Georg Stary, Universitätsklinik für Dermatologie am Wiener AKH. Nach längeren Forschungsaufenthalten im Ausland, unter anderem an der Harvard Medical School, ist Stary seit 2015 wieder an der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien tätig – zunächst als assoziierter Universitätsprofessor und Leiter einer Forschungsgruppe und seit 2024 als Ordentlicher Professor im Fachbereich Dermatologie. Darüber hinaus wurde er im Jahr 2018 zum Adjunct Principal Investigator am Zentrum für molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften bestellt. Von 2019 bis 2023 war er überdies Co-Direktor und Forschungsgruppenleiter am Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases(LBI-RUD) und ist nunmehr aktiv in die Etablierung des Comprehensive Center for Rare and Undiagnosed Diseases der MedUni Wien und des Universitätsklinikums AKH Wien involviert.

Die Immunologie berührt, so Stary, beispielsweise die Onkologie, die Infektiologie und die Allergologie. Eine der zentralen Herausforderung in der Immunologie ist das Verständnis der feinen Balance zwischen einer zur Verhinderung von Infektionen und maligner Entartung erforderlichen Immunreaktion und einer überschießenden Reaktion, die zu chronischer Entzündung führt. Stary: „Wir müssen verstehen lernen, was im Gewebe wirklich geschieht. Organ- und gewebespezifische Immunreaktionen werden daher auch in Zukunft einen Schwerpunkt meiner Arbeit darstellen.“

Wirkmechanismus von Imiquimod aufgeklärt

Im Falle von Hautkrebs haben unterschiedliche Immuntherapien nicht nur zu relevanten klinischen Erfolgen geführt, sondern auch zum besseren Verständnis von Funktionen des Immunsystems in der Haut beigetragen. Stary erläuterte das am Beispiel des topischen Immunmodulators Imiquimod, der zur Behandlung von oberflächlichen Basalzellkarzinomen und aktinischen Keratosen eingesetzt wird. Es war allerdings anfangs nicht klar, wie Imiquimod im Gewebe wirkt. In einer seiner ersten Arbeiten an der Wiener Universitätsklinik für Dermatologie gelang es Stary und seiner Gruppe, zu zeigen, dass Imiquimod die direkte Anti-Tumor-Aktivität dendritischer Zellen stimuliert.1 Diese Erkenntnis könne in Zukunft Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer Medikamente gegen Tumorerkrankungen der Haut werden, erläuterte Stary, der sich seit seinen frühen Jahren in der dermatologischen Forschung auch mit der Prävention und Behandlung venerischer Erkrankungen beschäftigt.

Chlamydienprophylaxe

Versuche, eine Impfung gegen den verbreiteten Erreger Chlamydia trachomatis zu entwickeln, hatten sich über viele Jahre als frustrierend erwiesen und führten in Studien in den 1960er- und 1970er-Jahren eher zu klinischen Verschlechterungen im Falle einer experimentellen Infektion, so Stary. Alternative Methoden der Immunisierung bzw. Prophylaxe werden daher dringend benötigt. Bereits in seiner Zeit an der Harvard Medical School war Stary Erstautor einer Arbeit, die zeigen konnte, dass es mit UV-inaktivierten Chlamydien und einem aus Nanopartikeln bestehenden und mittlerweile patentierten Adjuvans möglich ist, eine Besiedelung der uterinen Mukosa mit residenten Memory-T-Zellen gegen Chlamydien zu erreichen.2

Starys Arbeitsgruppe an der MedUni Wien identifizierte darüber hinaus das Antiprotozoikum Pentamidin als Kandidaten für eine topische Prophylaxe gegen Chlamydien. Pentamidin reduziert das Wachstum von Chlamydia trachomatis, wirkt in der Frühphase einer Infektion bakterizid und dürfte keinen negativen Einfluss auf die physiologische Vaginalflora haben. Weiters inhibiert Pentamidin auch das Wachstum von Neisseria gonorrhea, das als häufige Koinfektion gemeinsam mit Chlamydien gefunden wird.3 Aktuell wird eine Formulierung von Pentamidin entwickelt, die für die topische Anwendung im Genitalbereich geeignet ist und damit in klinische Studien gehen kann.

Immunsupprimierender Speichel: warum Zecken so effektive Vektoren sind

Eine weitere Forschungsfrage, die an der Wiener Dermatologie gestellt wird, betrifft die relativ große Zahl der sogenannten „tick-borne diseases“, also von Zecken übertragener Krankheiten. Zecken saugen sich für mehrere Tage an ihrem Wirt fest, wobei ihr Speichel mit unterschiedlichen Hautstrukturen in Kontakt kommt, erörterte Stary, dessen Forschungsgruppe die Wirkung verschiedener Speichelkomponenten auf das Immunsystem der Haut untersucht und mittels eines Ex-vivo-Modells des Zeckenstiches bereits die Auswirkungen des Zeckenspeichels auf die Immunabwehr gegen Borreliose beschreiben konnte. Offenbar wirkt die Zeckensaliva durch Interaktion mit den Langerhans-Zellen lokal immunsupprimierend und erleichtert so die Transmission des Pathogens. Das vertiefte Verständnis des Übertragungswegs könnte für die künftige Entwicklung von vollkommen neuen Impfstrategien gegen Borrelieninfektionen entscheidend sein. Angriffspunkt dieser Maßnahmen wäre dann nicht das Bakterium, sondern der Zeckenspeichel.4

Granulome im Forschungsfokus

Der pathologische Umgang des Immunsystems mit Fremdkörpern und Krankheitserregern kann auch zur Bildung von Granulomen führen. Dies sind Ansammlungen von Immunzellen, die in dieser Form ihre protektive Funktion verlieren und selbst Krankheitswert entwickeln können. Bei zahlreichen Erkrankungen bilden sich Granulome ohne bekannte Ursache, so Stary. Eine dieser Erkrankung ist die Sarkoidose, die in ihrer kutanen Form große Hautareale betreffen kann. Untersuchungen an der dermatologischen Universitätsklinik in Wien in Zusammenarbeit mit dem CeMM ergaben, dass diese Granulome hauptsächlich aus T-Zellen, Makrophagen und Fibroblasten bestehen und eine komplexe Struktur aufweisen, die tertiären lymphatischen Strukturen (ektope lymphatische Organe außerhalb des lymphatischen Gewebes) ähneln.5

Ebenfalls aus Wien kam vor wenigen Jahren eine Publikation, die die Rolle von mTORC1 im Rahmen der Granulombildung beschrieb.6 Dies führte zu einer am Wiener AKH durchgeführten klinischen Studie in einer Population von Patient:innen mit steroidrefraktärer kutaner Sarkoidose. In dieser Population wurde mit dem mTOR-Inhibitor Sirolimus bei 70% der Patient:innenein Ansprechen erreicht.7 Der Einsatz von mTOR-Inhibitoren bei Sarkoidose hat mittlerweile Eingang in die Leitlinien gefunden.

An der dermatologischen Universitätsklinik in Wien werden aktuell weitere Zellen und Pathways beforscht, denen wichtige Rollen in der Pathophysiologie der Sarkoidose zugeschrieben werden, so Stary. Sowohl im Falle von Pentamidin als auch von Sirolimus handelt es sich um die Wiederverwendung von in anderen Indikationen bereits zugelassenen Medikamente, also um „drug-repurposing“.

T-Zellen in der Haut verursachen Graft-versus-Host-Erkrankung

Eine weitere dringende Forschungsfrage betrifft allogene Stammzelltransplantation, konkret die Graft-versus-Host-Erkrankung (GVHD), eine systemische zytotoxische Reaktion von implantierten bzw. transfundierten Immunzellen gegen den Wirtsorganismus, die vermehrt in sogenannten Barriereorganen, also Haut und Magen-Darm-Trakt, manifest wird. Stary: „Bisher dachte man, dass durch die Konditionierung und anschließende Transplantation das Immunsystem komplett ersetzt werde. Mittlerweile haben wir aber gelernt, dass es in bestimmten Geweben, insbesondere in der Haut, residente T-Zell-Populationen gibt, die durch die myeloablative Therapie nicht eradiziert werden. Diese Zellen haben sich als Risikofaktor für die Entstehung einer Graft-versus-Host-Reaktion erwiesen, zumal sie proinflammatorische Effekte haben und nach lokaler Expansion die Haut auch verlassen können.“8, 9

Starys Forschungsgruppe arbeitet nun an einer detaillierten Identifikation und Charakterisierungen der unterschiedlichen Populationen von Memory-T-Zellen in der Haut. So konnte durch longitudinale Analysen des T-Zell-Transkriptoms vor Auftreten von GVHD gezeigt werden, dass die Hochregulation des antiapoptotischen Regulatormoleküls BCL2 signifikant mit ungünstigem Outcome korreliert.10 Versuche in der Zellkultur legen nahe, dass eine Inhibition von BCL2 dieses Problem lösen könnte, womit ein Ansatz für die Entwicklung gezielter Therapien der steroidrefraktären GVHD gegeben wäre. Eine vom Österreichischen Wissenschaftsfonds geförderte klinische Studie mit dem in anderen Indikationen bereits zugelassenen BCL2-Inhibitor Venetoclax läuft bereits.

HIV und HPV-assoziierte Neoplasien

Mit den Besonderheiten des Immunsystems in der Haut hat auch eine weitere aktuelle Forschungsfrage zu tun: Warum haben HIV-infizierte Patient:innen auch unter wirksamer antiretroviraler Therapie (ART) ein hohes Risiko, HPV-assoziierte Neoplasien zu entwickeln? Eine Antwort scheint in der unterschiedlich guten Erholung der verschiedenen kutanen T-Zell-Populationen nach Beginn der antiretroviralen Therapie zu liegen. So dürfte die Depletion residenter Memory-T-Zellen in Haut und Mukosa bei spät begonnener ART irreversibel sein.11 Ein Problem, das, so Stary, nicht nur bei HIV-Infektion, sondern auch in einer Reihe anderer Erkrankungen sowie unter Immunsuppression relevant sein dürfte.

Beitrag für die Zukunft

Diese Erkenntnisse zeigen, wie wichtig der Beitrag von klinisch-tätigen Wissenschaftlern ist, um relevante Erkrankungs-spezifische Fragen zu adressieren. Die Dermatologie leistet damit einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis von Pathomechanismen direkt im betroffenen Gewebe, was zu neuen Therapieansätzen in der Zukunft führen kann.◼

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Quelle:

Antrittsvorlesung von Univ.-Prof. Dr. Georg Stary am 28. Februar 2025 in Wien

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Volle Ränge bei Starys Antrittsvorlesung

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Rektor Univ.-Prof. Dr. Markus Müller, Univ.-Prof. Dr. Georg Stary, Univ.-Prof. Dr. Georg Stingl, der die Laudatio hielt, und Dr. Michaela Fritz, Vizerektorin für Forschung und Innovation

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G. Stary, Wien

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